Der Eber ist keine Positionierung der Gliedmaßen, sondern – wie jede Hut oder Wacht – eine Verhaltensregel aufgrund einer taktischen Position für Waffen wie Dolch, Langes Schwert, Spieß oder auch unbewaffnetes Ringen. Die Ableitung des Namens ist nicht zufällig, sondern wie bei Fiore dei Liberi zu lesen eine gewollte Assoziation. Es ist zu bezweifeln, dass das Bewegungsmuster aus dem Kampfgebaren des wilden Ebers entstanden ist. Doch abseits der Legenden lässt sich ein klarer Zusammenhang erkennen. Wir benutzen in dem weiteren Text das Bild des kämpfenden Ebers, um uns eine Brücke zu bauen. Ob die Verfasser der Fechtbücher gleiche Gedanken hatten, ist ungewiss. Doch ist es auch nicht von Belang, so lange wir eine nachvollziehbare, in den historischen Kontext eingefügte Interpretation vorlegen. Somit widmen wir diesen Artikel aus der Serie “Tiere in der Fechtkunst” dem Eber.

Der wilde Eber

Wildschweine sind in den Wäldern Europas sehr häufig anzutreffen. Zumeist jedoch sieht man nur ihre Spuren in der Erde. Meterweit ist der weiche Waldboden aufgerissen. Wie eine Pflugschar graben sich die Wildschweine mit
dem “Wurf” (Oberkiefer/Nasenbein-Bereich) ins Erdreich und drücken ihre Schnauzen in die feuchte Erde. Ihre feinen Nasen nehmen die kleinsten Leckerbissen war. Diese Eigenart entspricht somit dem Pflug des Bauern. Das Durchpflügen des Bodens ist nicht nur den wilden Schweinen eigen, sondern auch den Hausschweinen, und den halbwilden Arten, die früher vom Schweinehirten in den Hegewald geführt wurden.

Bei dem wilden Eber lässt sich ein Angriffsmuster sehr häufig beobachten. Zuerst richtet sich durch Winkeln des Körpers auf den Gegner aus. Dabei bewegt er die vorderen Beine aus der Kampflinie, um einen Gegenangriff während seines Manövers zu verhindern. Dann richtet er durch einen Seitsprung der Hinterbeine den gesamten Körper auf den Gegner aus. Auf der eigenen Kampflinie stürmt er mittig in den Gegner. Durchbricht er dabei die Verteidigung des Gegners, so zieht er seinen Kopf nach oben. Dadurch gräbt sich der Eberzahn erst in das Fleisch und reißt es dann weit auf. Aus guten Grund,haben “Sauenschutzhosen” an der Innenseite der Oberschenkel einen Stichschutz.  Das in jeder Hinsicht keilförmige Haupt erleichtert diesen Art des Angriffs. Der Eber passiert den Gegner nach Möglichkeit und flüchtet, selten kehrt sich zu einem weiteren Angriffsmanöver um. Will der Eber töten, dann passiert er nicht, sondern schlägt weiter zu.

Der Eber in der Fechtliteratur

Die erste Erwähnung des Ebers finden wir in den Friulischen Schriften des Fechtmeisters Fiore dei Liberi. Der Norditalienier nennt explizit den Eberzahn als Hut “dente de zenghiaro”Fiore Zahn des Eber. Er spricht ihm folgende Eigenschaften zu:

  1. Er ist ebenbürtig zu allen anderen Huten (bzw. was von ihnen kommt),
  2. Er besitzt gute Verteidigungseigenschaften gegen Stiche und Hiebe,
  3. Mit dem rechten Bein wendet er,
  4. Er wendet den Angriff ab und dringt selber ein,
  5. Er zeigt seine Stärke im Nahkampf

Philippo Vadi

Die nächste Erwähnung im Italienischen nimmt Philippo Vadi rund 70 Jahre später vor. Er mahnt, dass die Wahl des richtigen Zeitpunkts für den Eber essentiell ist, wenn man plant sich zu nähern. Denn der Stich des Ebers zeigt seine Stärke in der Nahdistanz. Die Rotationskraft des Ebers hebt auch Vadi hervor. Mit dieser Kraft kann man auch den Gegner drehen. Kommt der Eber von der Außenseite, so sucht er die Blöße direkt ohne zu Zögern. Hat er dabei die Kurze Schneide zum Gegner tritt Vadi nach außen, mit der Langen Schneide dämpft er den Gegner ohne zu laufen. Wie Fiore sieht Vadi den Eber als übergreifendes Konzept und so findet es auch Anwendung in der Hellebarde. Dort finden wir das Motiv der Riposte gegeben.

Neuordnung der Begriffe in Italien

Im Italien des 16. Jahrunderts findet eine Neuordnung der Fechtbegriffe statt. Die alten Namen der Huten werden radikal entfernt und nur die Eiserne Pforte (porta di ferro) übersteht die Säuberung. Die gesellschaftliche Gegenreformation mit der Intention eventuell heidnische Wurzeln zu eliminieren und die aus dem Osten und Norden kommende Reformation zu stoppen, macht auch vor dem Fechten nicht halt. Von dieser Zeit an, spielt der Eber keine Rolle mehr im Italienischen Fechten.

Der Eber in deutscher Fechtliteratur

Das als erste Fechtbuch datiere I.33 aus deutschsprachiger Produktion stammt vermutlich aus der Produktion eines Klosters und vermeidet ebenfalls nur dort alte Terminologie, wo sie unverdächtig erscheint. Ansonsten wird diese durch das Latein ersetzt. Das zeitlich ebenfalls früh datierte Fechtbuch GMN3227a ersetzt gemäß der Benamung im Langen Schwert den Eber durch den Pflug. Diese Übertragung finden wir als Kopie der Fechtkunst im Langen Messer bestätigt durch Magister Andreas. Er stellt die Huten im Langen Messer denen des Langen Schwertes gegenüber. Dabei ist interessant, dass die Benamung des Ebers als Pflug nicht an die Waffe gebunden war. Denn aus den italienischen Fechtbüchern wissen wir von der Allgemeingültigkeit des Ebers in der Kampfkunst vom Ringen bis zur Lanze.

Umbenennung des Ebers in Pflug

Wir könnten wie andere mutmaßen, das die Umbenennung des Ebers in den Pflug ebenfalls christliche Motive hatte. Der Ochse als Motiv im Christentum war ungefährdet, doch der Eber ist zutiefst heidnisch. Doch für handfeste Theorien zu dieser Neubegrifflichkeit fehlt uns das wissenschaftliche Rüstzeug, zumal wir schon einen Widerspruch darin entdecken, dass der ansonsten freudig mit neuen Namen umgehende Johannes Lecküchner den Namen des Ebers beibehielt. Denn in seinen Fechtbüchern CPG 430 (Heidelberg) und CGM 582  (München) findet sich der Eber häufig.

Rostock MS Var 82, folio 120r

Vom Eber zum Pflug

Spannend in diesem Zusammenhang ist die historisch erste Nennung des Ebers in einem deutschsprachigen Fechtbuch als Equivalent zum Pflug durch den Juden Lew in der vermutlich um entstandene 1452 Kopie der Liechtenauer Zettel auf Folio 13v (kopiert bei Paulus Hector Mair 1550 Cod. Winob. 10825). Hier wird der Eber mit dem Ochsen zu einem Paar, wie er weiterhin im Langen Messer zum Stier gesehen wird.

In den folgenden Übungen zur Fuß– und Handarbeit wollen wir anhand des Fechtgedichtes von Joachim Meyer den Eber erkunden. Joachim Meyer verfasste dies in einer Handschrift, die maßgeblich auf den Werken früherer Meister zum Langen Messer beruht.

 

Ausgangsposition

Paulus Hector MairStand mit dem lincken fus vor
dein hefft neben dem rechten kney
die spitz gegen dem man

ein guthe ler aus dem eber zu fechten
Auff das . vor . vnd noch, hab acht
zum durch schiesen, sey bedacht
Durchschiesen, wechseln, lere
Abschniden, zuch damit sere

Joachim Meyer, 1563 (MS Var.82)

In allen Übungen zum Eber beginnen wir mit dem linken Bein vorne, der Fuß zeigt etwas nach vorne und innen. Das rechte Bein ist nach hinten oder seitlich ausgerichtet, ebenso der Fuß. Wir vermeiden, dass ein Knie in eine andere Richtung zeigt wie der Fuß. Dreht sich der Fuß, dreht sich das Knie mit.

Der Eber ist niedriges Tier und somit stehen wir tief. Das Gleichgewicht ist auf beide Beine verteilt und beweglich.

 

Der Eber schwenkt den Kopf

Auff das . vor . vnd noch, hab acht

Der Eber bewegt seinen Kopf mit dem Eberzahn hin und her, um zu spüren wo sein Gegner ist. Da die Augen des Wildschweins nicht nach vorne gerichtet sind, ist er auf das Fühlen angewiesen. Als Fechter bewegen wir die Klinge mit dem Ort auf den Gegner ausgerichtet leicht nach vorne und oben. Wir schieben die rechte Hüfte vor. Dadurch dreht sich die Körpermitte und auch die Klinge.

Fußarbeit: „Verändern des Körperzentrums zum Fliehen oder Nähern“. Die Füße bewegen sich nicht, doch der Körper wird durch die Hüftrotation in Bewegung gesetzt.

Übung (Solo/Partner)

Le Livre et le vraye hystoire du bon roy Alixandre, France 1420 (British LibraryIhr seid zu zweit. Alternativ suchst du dir einen Punkt in Nasenhöhe an der Wand oder im Raum. Du stehst im Eber und nimmst die Klinge leicht vor und die Hand in Hüfthöhe. Die Klinge zeigt mit der langen Schneide auf den Gegner und ist so steil, dass der Ort auf der Linie liegt, die von beiden Nasen gebildet wird. Der Arm wird angespannt und bewegt sich nicht mehr. Nun schiebst du die rechte Hüfte weit vor und zurück. Beobachte wie sich die Klinge vor zwischen dir und deinem Partner wie ein Scheibenwischer  nach links (Hüfte vor) und rechts (Hüfte zurück) bewegt.

Die Rotation der Hüfte erzeugt eine wischende Bewegung der Klinge, ohne dass sich die Hand vor dem Körper selber bewegt. Die Bewegung der Klinge lässt sich am besten mit den Tasten von Insektenfühlern vergleichen. Es wird geprüft, ob sich die gegnerische Klinge in Gebiet vor dem eigenen Körper befindet. Doch ist der Fühler nicht elastisch. Trifft er auf Widerstand, so bleibt er wie der Eberzahn unnachgiebig, als historischer Fechtbegriff: hart. In der Härte liegt jedoch kein seitlicher Druck durch den Arm. Dies ist wichtig.

Übung (Partner)

In der Übung sticht oder schlägt dein Partner nun in den Bereich vor dir im so genannten Zufechten. Ein direkter Angriff auf den Eber ist nicht zu raten, da dieser jederzeit im Stich den angreifenden Arm oder den Gegner auf der Brust erreichen kann. Somit dringt dein Partner mit der Klinge in den Bereich des Ebers ein, um dich zu einer Reaktion zu zwingen. Unterlässt der Eber zu antworten, so wird er aufgespießt. Antwortet der Eber durch Armkraft, so wird er durch entsprechende Techniken wir das Oben Abnehmen gebrochen. Daher muss der Eber seinen Kopf mit Hilfe der Hüftrotation bewegen. Der Arm darf nur hoch und vor geschoben werden.

Vor und Nach, hier ganz wortwörtlich

Das Vor und Nach aus dem Vers wird ermittelt, indem du die Bindung prüfst. Entsteht die Bindung im Vorderband mit der Langen Schneide, so hat sich die rechte Hüfte vor bewegt. Entsteht das Band hinten an der kurzen Schneide, so bewegte sich die Hüfte zurück. Entsprechend beginnst du im Gefecht im Vor oder im Nach zu arbeiten. In den folgenden Übungen konzentrieren wir uns auf das Vor, um die Komplexität zu reduzieren. Selten in der Fechtliteratur erhalten wir einen direkten Bezug der eigenen Bewegung zu den Begriffen des Vor und Nach.

Der Eber schießt durch

zum durch schiesen, sey bedacht

Konrad von Megenberg: Buch der Natur, Hagenau, Werkstatt Diebold Lauber, um 1440–1444Erhält der Eberzahn Kontakt, so bohrt er sich vorwärts und nach oben – falls gegeben – durch das Fleisch. Es ist nicht primäres Ziel dabei, den Gegner zu durchbohren. Eine Verwundung des Gegners ist für den Eberzahn im Durchschießen nicht zwingend. Es wird auf jeden Fall weiter gearbeitet. Das wesentliche der Bewegung wird in dem Begriff „Durch“ deutlich. Der Eberzahn will im „Durchschießen“ durch die Verteidigung gelangen.

Fußarbeit: „Verändern des Fußes als Provokation oder Vorbereitung“. Der linke vordere Fuß wird seitlich etwa ein Fußbreit weiter nach links versetzt.

Übung (Partner)

Die Übung beginnt wenn im Schwenken des Eberkopfes ein Kontakt im Vor also im Vorderband bei der Vorwärtsbewegung der Hüfte entsteht. Gemeinsam verharrt ihr kurz und prüft, ob der Eber nicht fälschlicherweise durch seitlich gerichtete Armkraft in den Kontakt kam. Ist das der Fall, so wird von vorne begonnen.

Ist alles wie es sein soll und der Weg zum Körper des Ebers durch den Winkel der Klinge verriegelt, so wird fortgesetzt.

Diese Bewegung wird ebenfalls durch die Hüfte (hier die rechte Seite) ausgelöst. Zuerst schiebt sich die rechte Hüfte weiter vor und der Arm streckt sich. Die Klinge schießt nun schnell nach oben. Verschiebe dein Körper nach vorne. Nun bist du auf der rechten Seite völlig gestreckt und bereit mit dem rechten Fuß einen fallenden Schritt nach vorne zu machen.  Die Spitze deiner Klinge zeigt deutlich nach oben. Die Bedrohung erfolgt nun durch die Schneide. Die Klinge deines Partners ist auf der linken Seite durch deine Klinge völlig verriegelt. Um sich zu lösen und dich anzugreifen, muss er zurückziehen oder weit auf deine Linke hinaus. Löst er sich, wird er geschlagen.

Als Folge aus dem Durchschießen ist unter anderem ein Schnappen mit der kurzen Schneide möglich. Dabei schreitet das rechten Bein nun nach außen und die Hand wendet die Kurze Schneide zum Gegner zum Schlag.

Der Ebern wechselt durch

Durchschiesen, wechseln, lere

Joachim Meyer weist in dem Vers auf die Notwendigkeit hin, zwischen Durchschießen und Durchwechseln zu unterscheiden. Im Vergleich mit der Belagerung einer Burg wird es deutlich. Beim Durchschießen schlagen die Angreifer eine Bresche durch die nachgiebige Burgmauer hindurch. Die Verteidigung ist nicht stark genug und wird durch den Impakt einer Ramme gebrochen. Beim Durchwechseln ist die Burgmauer oben stabil und kann nicht gebrochen werden. Doch kann man sie unterminieren. Die Angreifer wechseln unten durch auf die andere Seite der Mauer. Im Fechten entsteht daher eine Regel:

Prüfe ob er schwach oder stark ist in der Bindung. Ist er schwach, so schieße durch. Ist er stark, so wechsele durch.

Schwach oder Stark?

Schwäche kann man sehen im Bindungspunkt in der oberen Hälfte der gegnerischen Klinge. Der Arm des Gegners liegt niedriger als der eigene. Schwäche kann man spüren in der Nachgiebigkeit und dem seitlich gerichteten Druck des gegnerischen Arms.

Stärke kann man sehen in der Bindung in der unteren Hälfte nahe bei der Hand des Gegners. Der Arm des Gegners ist höher als der eigene. Stärke kann man spüren in der Unnachgiebigkeit, dem Ausbleiben von seitlichem Druck, und leicht vertikalem Druck.

Fußarbeit: identisch zum Durchschießen. Der vordere linke Fuß wird leicht nach links versetzt.

Übung (Partner): Du kommst mit deinem Partner im Schwenken des Eberkopfes in Klingenkontakt. Dein Partner wird nun abwechselnSchwäche und Stärke simulieren. Als Schwacher wird er den Klingenkontakt nahe beim Ort halten und mit dem leicht gesenkten Arm deine Klinge auf seine linke Seite drücken. Als Starker wird er den Kontakt nahe bei seiner Hand suchen und mit leicht angehobenen Arm seine rechte Seite mit der Hüfte vorschieben. Dabei unterläuft ihm der Fehler, den Ort und nicht die Schneide auf dich auszurichten. So ist sein Winkel eher horizontal.

Empfindest du Schwäche, so hebst du im Durchschießen wie bereits geübt die Klinge. Den Druck durch die Armkraft entgegnest du die Kraft aus der Hüfte.

Empfindest du Stärke, dann senke den Ort deiner Klinge tief und schiebe die rechte Hüfte genauso wie im Durchschießen weiter vor. Dadurch wird dein Ort auf die (linke) Außenseite deines Partners wechseln.

Das Durchwechseln straft

Im Durchwechseln bestrafen wir einen Fechter, der mit der Rotationskraft seines Arms oder Rumpfes, den Stich erzwingen will. Durch den eher flachen Winkel verschränkt er nicht mehr den Weg zu der rechten Seite seines Körpers. Kannst du nun durch das Durchwechseln in das Ellenbogenfenster im Rücken seiner Klinge gelangen, so wird er das schwer verteidigen können. Als Eber kann man nun mit dem rechten Fuß kreuzweis nach links laufen und in den Gegner hinein zu einem Stich mit Ringen. Man kann einen weiteren Tritt mit dem linken Bein nach links machen und mit der Kurzen Schneide auf seinen Arm oder Waffe schlagen, daraufhin durch das Gesicht mit einem Schritt des rechten Beins an ihm vorbei. Beide Fortsetzungen sind dem Eber recht.

Der Eber schneidet durch

Abschniden

Erhält der Eber im Schwenken seines Kopfes, also im Vor– und Rückschieben der rechten Hüfte keinen Klingenkontakt, so hat der Gegner entweder den Schritt abgebrochen oder er hat die Klinge in einer sehr hohen Position belassen (eventuell um sie hoch oben zu kehren und im Sturz als Oberstich nieder kommen zu lassen). Der Eber hebt nun seinen Kopf mit dem Eberzahn, um alles wegzuräumen, das ihn bedrohen könnte. Aus der Hüftbewegung des Schwenkens entstehen nun zwei „Schneiden“.

Wie wird geschnitten?

Das Schneiden für sich betrachtet ist eine Klingenbewegung, in welcher der Ort der Hand deutlich nachläuft. Diese Bewegung ist dem Säbel durch seine gebogene Klinge eigen.  Im Auftreffen erhält die Klinge Kontakt idealerweise nahe bei der Mitte. Die Hand zieht weiter und die eigene Klinge schneidet entlang derjenigen des Gegners. Dabei versucht die Hand Druck auf den Ort auszuüben. Ebenso als würde man ein hartes Stück Brot schneiden. Die Klinge des Gegners wird seitlich verdrängt, ohne dass eigene Kraft rotierend zur Seite eingesetzt wird.

Im Schwenken: aus der Hüftbewegung vorwärts entwickelt sich ein Schneiden nach unten (eventuell auch aus einem abgebrochenen Heben im Durchschießen). Durch die Hüftbewegung nach hinten, entsteht ein kräftiges Schneiden von unten. Beide Schneiden können mit Kurzer wie mit Langer Schneide des Messers geführt werden. Handelt es sich um eine stärker gebogebogene Klinge, so ist die Lange Schneide stets zu bevorzugen.

Fußarbeit: identisch zum Durchschießen. Der vordere linke Fuß wird leicht nach links versetzt.

Übung (Solo)

Stelle dich mit dem linken Fuß vor in die Ausgangsposition. Beginne mit der Hüftrotation und dem leichten Heben des Armes aus dem Schwenken des Eberkopfes. Unvermittelt wandel die Vorwärtsbewegung in einen Schnitt nach unten, sowie die Rückwärtsbewegung der Hüfte in einen Schnitt nach oben.

Nun wechsele die Schnittrichtung und die Hüftbewegung, nach hinten schneide hoch, nach vorne schneide hinab. Analysiere die Unterschiede in der Bewegung und welche taktische Bedeutung dies hat.

Übung (Partner)  

Beginne wie in der Solo-Übung und schwenke den Eberkopf. Übe das Wandeln der Hüftbewegung in einen Schnitt. Dein Partner wird nun unvermittelt in die Hände klatschen, worauf du sofort die Bewegung wandeln musst. Klappt das gut, dann soll er in einem Zutritt unregelmäßig nach dir stechen, während du den Eberkopf schwenkst. Diesen Stich schneide ab. Danach schneide Hiebe ab, die dein Partner in deine Richtung schlägt.

Der Eber zieht

zuch damit sere

Dem Schneiden, welches im Grunde ein Schieben ist, folgt das Ziehen. Das Schieben ist der Druck der eigenen Klinge, welcher den Gegner verdrängt. Der Bewegung eines Hiebes ist immer ein vor und zurück. Der Arm rotiert in der Schulter vor und wieder zum Körper zurück. Das Vor ergibt die Kraft des Schiebens, das Zurück die Wirkung des Ziehens.  Wir erkennen immer wieder, die klare Didaktik der Fechtbücher im Detail der Stücke. Die Hüftbewegung vorwärts zum Schieben und rückwärts zum Ziehen, wird immer wieder reflektiert.

Das Schieben und Ziehen ist besonders im Ringen präsent und ein Kern der Fechtkunst. Daraus ergibt sich die Trennung in Hart und Weich sowie Schwach und Stark. Ich kann gegen die Kraft des Gegners arbeiten oder mit ihnen. Durch einen plötzlichen Wechsel zwischen Ziehen und Schieben, zwinge ich den Gegner zur Anpassung. Wechsele ich mehrfach, so wird er überfordert.

Doppeldeutig “Sere”

Joachim Meyer fordert uns auf, mit dem Schneiden zu Ziehen. Dieses soll zur Verwundung des Gegners genutzt werden. Das „Sehren“ ist in seiner doppelten Wortbedeutung zum einen eine Verstärkung des Verbes „Ziehen“, wie auch das Verwunden des Gegners. Doppeldeutigkeit ist in Fechtgedichten so häufig anzutreffen, dass man eine Absicht vermuten muss. Uns bleibt nur beide Bedeutungen zu untersuchen, wenn wir keine Eindeutigkeit herstellen können.

Der Türkenzug

Das Schneiden mit Ziehen zu verstärken, wäre entsprechend dem so genannten „Türkenzug“ zu sehen. Der bei mindestens zwei Quellen genannt wird. Dieser hat eine ziehende Bewegung während des Schneidens. Der Name entspringt den gekrümmten Klingen der Türken im 16. Jahrhundert. Mit diesen wurden beeindruckende Schnitte erzielt, so dass der Name für diese Schneidetechnik im Hieb gefunden wurde.

Verdoppeln

Das Schneiden kann jedoch auch durch das Ziehen verdoppelt werden. Die Verstärkung durch das Verdoppeln entspräche dem Verständnis als Verwundung. In diesem Fall folgt der Regel Joachim Meyers ein kreuzweiser mit etwa 90° oder ein mindestens 45° zu der ersten Schnittlinie abweichender zweiter Schnitt. Geht der erste in der Vertikalen auf oder ab, geht der zweite „twer“ in der Horizontalen. Tatsächlich ist dieser zweite horizontale Schnitt in vielen Stücken Lecküchners als Folge einer vorherigen vertikalen Aktion zu finden. Dieses „kreuzweise“ arbeiten kann man nun auch nicht nur in  zwei Dimensionen, sondern in dreien sehen. Beispielsweise verläuft der erste Hieb/Schnitt wie ein Scheibenwischer vor dem Mann von oben nach unten in der Vertikalen, der zweite Hieb/Schnitt verläuft zu dem Mann von rechts nach links in der Horizontalen. Wir haben damit in zwei Ebenen gekreuzt. Der erste Hieb dient dem Aufziehen im Schnitt, der zweite Hieb dient dem „Sehren“, dem Verwunden.

Fußarbeit: der hintere rechte Fuß wird nach links in einem Schritt nach vorn oder nach hinten gesetzt. Geht man nach vorn, so wird der Partner passiert. Es wird nicht direkt in den Partner gelaufen, da dies nur beim Einlaufen zum Ringen sinnvoll ist. Die Idee der Stücke zum Eber von Joachim Meier ist in dem Wort „durch“ zu finden. In diesem Sinne laufen wir durch und nicht hinein.

Geht der rechte Fuß nach hinten links im so genannten „Triangel“ so bewegt sich auch der Körper nach hinten. Wir wollen Distanz gewinnen und einen Abzug vorbereiten. Das Durchschießen, Durchwechseln, Durchschneiden ist somit als Warnung an den Gegner zu betrachten. Eine Vertiefung des Konflikts wird vermieden.

Übung (Solo)

Für den Türkenzug, dem Ziehen im Hieb, schlage zuerst von oben aus einem hohen Stand in einen tiefen. Versuche größte Reichweite auf Schulterhöhe zu erzielen und ziehe dann die Klinge in die Ausgangsposition des Ebers zurück. Entspanne dabei deine Unterarmmuskulatur ein wenig, da ein harter Kontakt starke Verformungsenergie erzeugt. Was abprallt, schneidet nicht.

Das Gleiche im Hieb von unten. Hier suche deine größte Reichweite ebenfalls auf Schulterhöhe. Der Schnitt verläuft von unten nach oben.

Um im Kreuzhau den Schnitt zu verdoppeln, schneide zuvorderst von oben nach unten aus einem hohen Stand in einen tiefen. Sobald du die größte Reichweite passiert hast, wende die Klinge und schneide nun in der Horizontalen von links nach rechts. Dann übe die anderere Richtung von rechts aus. Verwende grundsätzlich die Lange Schneide, doch übe auch die Kurze.

Den Schnitt über Kreuz übe nun von unten nach oben. Als drittes lasse den ersten Schnitt nicht zum Mann laufen, sondern vor dir wie ein Scheibenwischer. Der Schnitt quer jedoch geht zum Mann. Übe all diese ausgiebig.

Übung (Partner)

Ersetze das Schneiden in der vorherigen Partnerübung. Trete dabei weiter links heraus, so dass du den Arm erreichen kannst. Dies entspricht dem Stück zum Türkenzug des Fechtmeisters Andre Paurenfeyndt.

Das Verdoppeln des Schneidens geschieht durch einen Kreuzhieb zum Gegner hin. Über der Klinge des Gegners suche einen hohen Stand und schlage zum Gesicht. Unter der Klinge des Gegners schlage zum Körper in einem Hau von unten und mutiere diesen in einen Stich. Bewegst du dich zurück, so schneide in einem Kreuzhau zu dem Arm oder die Waffe aus.

Der Eber in Nürnberg

Der Herausgeber der wohl schönsten Fechtbücher lebte in Nürnberg des 16. Jahrhunderts. Paulus Hector Mair sammelte Fechtbücher, schickte seine Schreiber und Zeichner durch die Lande, um Kopien zu erstellen oder die Bücher nach Möglichkeit zu erwerben. Daraufhin ließ er mehrere Fechtbücher in Deutsch und Latein anfertigen. Um die Darstellungen und Fechtstücke so getreu wie möglich zu gestalten, beschäftigte er mehrere Fechtmeister. Es wunder wenig, dass dieses Unterfangen ein finanzielles Desaster war. Aber er entwickelte dabei eine Methodik, komplexe Fechtstücke nieder zu schreiben. Dabei wechselt die Perspektive regelmäßig zwischen Angreifer und Verteidiger. Und somit folgt nun das gesamte Spiels Joachim Meyers in der Schreibweise Paulus Hector Mairs (allerdings bemühen wir keine altertümliches Deutsch). Um uns noch ein wenig mehr nach Nürnberg zu versetzen, haben wir den Partner unseres Fechters in Liechternauers Kunst unterrichtet. Wir folgen streng den Anweisungen aus dem Fechtgedicht der Handschrift 3227a aus den Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg,

Das folgende Stück ist als Drehbuch zu verstehen, welches in Übungen von den Fechtpartnern erkundet werden soll. Diese Art des Lernens im Diaog der Fechter ist dem 16. Jahrhundert sehr verbreitet. Mit diesem Stück schließen wir die Einleitung in den Eber nach Joachim Meyer ab. Wir begeben uns endgültig nach Nürnberg, zu Meister Johannes Lecküchner.

Das Stück im Eber zu fechten, um den Zorenort zu brechen

Fechter: Stehe im Eber wie folgt mit dem linken Fuß vor und halte deine Wehr bei deinem rechten Bein mit dem Ort zu dem Mann. Der vordere Fuß ist stark, der hintere leicht gebeugt.

Partner: Wenn er dir gegenüber steht im Eber, dann stelle dich hoch mit dem linken Fuß vor und halte deine Wehr über dir im Luginsland. Wenn er nicht vor kommen mag, so schlage von oben im Zufechten zu dem Mann, bis dass dein Ort zu seinem Gesicht zeigt. Dabei bleibe hoch mit dem Arm und Körper, und schreite mit dem rechten Bein voran und leicht zu deiner rechten Seite aus.

Fechter: Wenn er zu dir kommt im Zufechten und will nach deinem Kopf schlagen oder dir drohen mit dem Zorenort, dann schiebe deine rechte Hüfte vor und rück, und binde an, wo du seine Klinge findest. Drücke nicht seitlich heraus mit dem Arm, sonst droht dir das oben Abnehmen.

GMN3227a: wirt her is gewar / nym is oben ab / ane vaer

Und soltu auch io schreiten / eyme czu der rechten seiten

Partner: Wenn er dich stark versetzt im Oberhau, so reiß den Ort deiner Klinge hoch und schlag ihm auf seine rechte Seite entlang seiner Klinge nieder auf Arm oder Kopf. Schreite dabei weit auf deine linke Seite (seine rechte) mit dem linken Bein.

GMN3227a: Pis sterker / weder wint / stich

Partner: Wenn er dir aber anbindet im Oberhau (was Pfaff Luitger empfiehlt in der Handschrift I.33), so schiebe die Stärke deiner Klinge vor, wende die Klinge leicht ein, so dass der Ort wieder zu ihm zeigt, und stich ihm nach dem Gesicht.

Fechter: Sticht er dich aus dem Band, so setze den linken Fuß leicht aus, hebe den Arm und schieße die Klinge durch, dass deine Stärke gegen seine Klinge kommt und seine Wehr abgesetzt wird. Bedenke, dass du den Ort der Klinge nicht zu tief senkst, da er dir sonst zu leicht durchwechselt.

GMN3227a: siet her is / nym is neder

Partner: Setzt er dir den Stich ab mit Stärke, dann senke deinen Ort und wechsele ihm durch auf seine rechte Seite. Wende die Schneide gegen seine Klinge und stich ihm zu seinem Gesicht.

Fechter: Wechselt er dir durch auf rechte linke Seite, so schreite schnell auf deine Linke weit aus, und schlage ihm die Lange oder Kurze Schneide auf den Arm oder die Klinge. Hast du ihm den Stich ausgeschlagen, so ziehe ihm die Klinge durch das Gesicht.


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