Es mag unerwartet sein, dass wir unseren ersten Artikel über eine Kriegerin mit einem Mann beginnen. Doch nichts verdeutlicht mehr die Leistung eines Menschen als der Gegenspieler, der überwunden wurde. Cabrino Fondulo wurde um 1370 in der Kleinstadt Soncino, in der Provinz Cremona der Lombardei. In diesem Ort erhielt er im Alter von 16 Jahren seine Bluttaufe im Gefecht mit dem Schwert. Zusammen mit seinem Bruder konspirierte er mit den Feinden seines Fürsten Gian Galeazzo Visconti. Er wurde verhaftet, entkam und wurde in Mantua unter Hausarrest gestellt. Nach dem Tod des Fürsten Galeazzo entkam er und unterstützte militärisch den Gegenspieler des Nachfolgers, Cavalcabò, Dabei tat sich Cabrino als Heerführer durch blutige Massaker hervor. Als der Stern Cavalcabòs am Sinken war, wechselte Cabrino spektakulär die Seiten. Er lud seien ehemaligen Freunde zu einem Bankett der Versöhnung in der Burg Maccastorna ein und ermordete sie nächtlings. Die bis auf wenige Ergänzungen in der späten Renaissance und dem Barock hervorragend erhaltene Burg, wird noch heute „Castello dei settanta fantasmi“ („Die Burg der 70 Gespenster“) in Erinnerung an das blutige Bankett genannt.

In den folgenden Wirren gelang ihm die Übermacht über Cremona zu gewinnen. Er verbündete sich mit Florenz im Gegenzug zu tausend Reitern und hielt blutige Ernte unter seinen Widersachern. Dabei festigte er seinen selbst ernannten Titel als Fürst von Cremona. Seine Herrschaft war kurz, wenig erfreulich und er verlor seinen Kopf im Alter von 55. Doch als er auf dem Höhepunkt seiner Macht war beginnt unsere Geschichte.

Onorata Rodiana war eine Malerin. Dies war nicht ungewöhnlich. Doch dass sie den Auftrag erhielt ein riesiges Fresko zu erstellen, zeigt ihre herausragende Stellung in ihrer Zeit (siehe dazu „The Obstacle Race: The Fortunes of Women Painters and Their Work“ von Germaine Greer). Rodianas Auftraggeber war niemand anderes als der oben beschriebene Cabrino Fondulo. Er beauftragte sie, eine Wand seines Palastes in Maccastorna (die oben genannte Burg in der Ebene des Flusses Po) mit einem heroischen Fresko zu verzieren. Bei diesem lukrativen Auftrag sollte sie sich nicht an dem Geschrei der Gefolterten stören, denn der Fürst verwendete die Burg tief in seinem Herrschaftsgebiet zu Verwahrung und Exekution der Gefangenen.
Doch die Arbeit an dem beauftragten Fresko wurde eher durch einen Günstling des Hausherrn gestört. Dieser belästigte die Malerin mit seinen sexuellen Aufdringlichkeiten. Da sie ihm nicht willig sein wollte, wurde er handgreiflich. Doch er hatte nicht mit der Gegenwehr der jungen Frau gerechnet. Sie ergriff das ein Palettenmesser, das zum Auftragen von Farbschichten auf der Wand gedacht war, und stach es ihm in den Hals. So viel Rot war nicht geplant und dem Vergewaltiger war nicht mehr zu helfen.

Die üblichen Handlungsweisen des Fürsten Cabrino vor Augen beschloss Rodinana nicht zu warten. Dem Zorn galt es zu entkommen. So kleidete sie sich in Männerkleidung und floh die Burg. Ihr Ziel waren das Heer des Generals Oldrado Lampugnani. Dort fand sie 1423 Zuflucht vor der Verfolgung durch Cabrino. Zwar soll sie der blutige Fürst später begnadigt und sie gebeten haben, das Fresco zu vollenden, doch lehnte sie ab. Die Männer des Generals Lampugnani waren hauptsächlich Söldner aus allen Herren Länder. Rodiana behielt vorerst ihre Verkleidung als Mann, wurde selber Söldner in der Reiterei und erwarb sich den Respekt der Männer durch ihre Fertigkeit mit den Waffen und ihr taktisches Geschick.

Ihre Karriere als Söldnerführer (Condottieri) gipfelte mit ihrer Ernennung als Hauptmann (Capitano) im Dienst von Corrado Sforza, dem Bruder des Fürsten von Mailand Francesio Sforza. In dessen Dienst wurde sie in der Belagerung einer Burg durch die Truppen Venedigs schwer verwundet. Einer Legende nach enthüllte sie 1452 sterbend ihrem Dienstherren ihr wahres Geschlecht mit den Worten „Ehrenhaft habe ich gelebt, ehrenhaft soll ich sterben“. Daraufhin starb sie ohne Lüge und erhielt den Beinamen „Honorata“, die Ehrenhafte. Der aktuellen Auffassung nach ist diese Legende jedoch Geschichtsklitterung des 19. Jahrhunderts. Die Annahme, dass eine Frau über dreißig Jahre lang ihr Geschlecht verbergen konnte, war wohl erträglicher, als die Tatsache, dass eine Frau eine berühmte und erfolgreiche Kriegerin und Heerführerin war.

>Onorata Rodiana wurde angeführt, wenn es um die Stellung der Frau in der Malerei ging. Auch hier ebnete ihr Schicksal als leuchtendes Beispiel anderen Frauen den Weg. Denn wenn ein grausamer Fürst im beginnenden 15. Jahrhundert einer Frau Anerkennung durch einen solchen Auftrag zollte, dann sollte die Moderne nicht zurück stehen (zum Beispiel bei Ernst Guhl in dem Artikel „Kunstgeschichtliche Bedeutung der Frauen“, 1858). In der Kunst haben sich Frauen heute fast Gleichberechtigung erkämpft, auf der Seite der Kampfkunst ist noch ein weiter Weg zu gehen. Auch heute noch kann uns die ehrenhafte Rodiana eine Inspiration sein.

 


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