Die Fechtbüchern nennen einige Tiere. In einer kleinen Serie von Fachartikeln mit dem Titel “Tiere in der Fechtkunst” wollen wir uns den Zoo der Fechtbücher etwas genauer ansehen. In diesem Artikel geht es um die “Büffel”. Damit sind Fechter gemeint, die nicht “fühlen” können. Was es damit auf sich hat, erklärt der folgende Artikel.

Die Büffel in den Wörterbüchern

Der Büffel, ist eine kleine Version des Auerochsen, die nach Adelung und Lexer mit roten Haaren bedeckt ist. Die Auerochsen wurden im 16. Jahrhundert in Deutschland ausgerottet.

Beim Blick in das Deutsche Wörtberuch von Grimm sehen wir, dass der Büffel ein haariger, wilder Ochse ist. Martin Luther verwendet den Begriff “Büffelarbeit”, um eine stumpfsinnige Arbeit zu beschreiben, die mechanisch ausgeführt wird, ohne das Gehirn zu benutzen oder zu benötigen. Im Schweizerischen Idiotikon finden wir die Beschreibung eines starken, aber nicht sehr klugen jungen Mannes, der sich durch clever gewählte Worte wie der Ochse am Ring durch die Nase führen lässt. Aber im Schweizer Dialekt wird der Büffel als männliches gehörntes Tier gesehen und so entspricht die Metapher, einen Ochsen durch den Ring in der Nase zu führen, nicht der Wildform des Rindes, wie es in eher nördlichen Sprachen beschrieben wird.

Trotzdem scheinen die Wörterbücher übereinzustimmen, dass der Büffel als starker (letztendlich wilder) Ochse angesehen wird. Er ist nicht als Symbol für Klugheit, sondern für Stärke bekannt. Mit Blick auf die Verwendung des Wortes steht er für langweilige Aufgaben wie das Drehen einer Mühle. Während Wasser und Wind die primären Energiequellen gewesen sind, wurden auch Vieh benutzt, um die Räder der Mühlen anzutreiben. So ist es keine Überraschung, den Ochsen als ein sehr starkes Tier zu verstehen, das fortwährend und bereitwillig extrem langweilige Arbeit leistet.

Die Büffel in den Fechtbüchern

In Liechtenauers Zedel finden wir den Reim

  • Schiler enpricht / waß puffler slecht oder sticht (1443 Talhoffer’s Gotha) Schiler enpricht / waß puffler slecht oder sticht (1443 Talhoffer’s Gotha)
  • Schiler ain pricht |was püffel slecht oder sticht (1452 Peter v. Danzig, Rome)
  • Schylher ain bricht / waß püfler schlecht oder sticht (1459 Talhoffer’s Thott, Copenhagen)
  • Scheller ein bricht / was puffel slät oder sticht (1465 – 1480 Cod.Guelf.78.2 Aug.2º, Wolfenbüttel)

Der Reim wird in verschiedenen Büchern mehr oder weniger unverändert kopiert, aber kaum erklärt. Dort wo die Glossen des Fechtgedichtes etliches an Übungen zum Umgang mit einem Oberhau und anderen Angriffen erklären, erläutern sie nebenher,

  • dass der besagte Schielhau den Stich von unten brechen kann,
  • und übrigens auch alles bricht, was mit einem verkürzten Schwert (Kurz Fechten oder Kurz Schwert), also nicht mit langen Armen gefochten wird
  • aber auch den Langort zerstört, der bekanntlich lange Arme hat.

Zusammenfassend illustrieren die Glossen den Schielhau als Schweizer Armeemesser obwohl er ja in der Beliebtheit dem Zornhau und dem Twerhau weit hinterher hinkt. Der Schielhau, der selbst ein kleines Rätsel im Namen trägt, lässt sich als Diagonal(“Schil” in “scheel über den Acker”), als Schieler (“Schil” in “schielen mit den Augen”) oder als Schild (“Schil”) in das moderne Deutsch übertragen. Für all diese Übersetzungen finden wir vernünftige Ableitungen in den Kampfbüchern. Mehrdeutigkeit ist in den Fechtquellen ein festes Konzept der Heimlichkeit.

Gegenmittel bekannt, aber gegen was hilft es?

Während wir – dank der einigermaßen klaren Definition der Beschreibungen in Glossen und Darstellungen – wissen, wie man einen Schielhau ausführt, haben wir kein klares Verständnis dafür, warum dieser Hau gegen Büffel hilfreich ist und was einen Fechter zum Büffel macht.

Die vermutlich früheste Erwähnung der Büffel ist in im GMN3227a [28v] (verfasst rund um 1400) zu finden  „Vnd der selbe haw der bricht als das püffel / das ist eyn pawer / mag geslaen / von oben neder als sie phleken czu tuen” Aufgrund der verwendeten Grammatik oder besser des Mangels an Grammatik können wir nicht sagen, ob die Büffel etwas sind, was ein Bauer tut, oder ein Büffel der ein Spitzname ist für die Bauern, die eine bestimmte Art zu kämpfen haben.

Aus dem Cod. 44.A.8 aus derm Mitte des 15. Jahrhunderts lernen wir “Merck das fülen |vnd das wort |Inndes die gröst |vnd die pëst kunst im swert ist |vnd wer ein maister des swertz ist oder sein wil |vnd kan nicht das fülñ |vnd vernÿmpt nicht dar zw das wort |Inndes |So ist er nicht ein maister |wenn er [29r] ist ein püffel des swertz |” übersetzt in das moderne Deutsch: “Wisse, dass das Fühlen und das Wort Indes die größte und beste Kunst des Schwertfechens ist. Und wer ein Meister des Schwertes ist oder sein will und nicht Fühlen kann, ist also kein Meister, sondern ein Büffel des Schwertes.“

Der Titel “Meister des Schwerts” sei laut dem unbekannten Autor des umfangreichen Fechtbuches ist jenen Möchtegern-Meistern entzogen, die die” Geheimnisse “von” Fühlen / Indes “nicht kennen – die wahre Hochkunst. Diese Büffel benutzen einfache Drilltechniken. Sie verwenden stupide – wenn auch nicht ohne Erfolg – sich immer wiederholende Techniken, wie ein Büffel, der ein Mühlrad antreibt.

Kraft und Gewalt

Die Idee, dass kräftige Bauern brutale Gewalt als Mittel verwenden, um einen Kampf zu gewinnen, scheint mit dem Bild eines Büffels zu entsprechen. Aber wir lesen in den Glossen zum Reim “Schilär ein pricht / war püffel schlecht oder sticht”, dass nicht der Büffel sonder der Schielhau derjenige ist, der die “gewalt” der Brutalität einbringt. Der Büffel wird durch die Brutalität des Schielhau gebrochen (“Merck der schilär pricht die hut die do haist der pflugk |vnd ist ein seltzam  gut ernhaft haw |wenn er pricht mit gewalt ein Inn haw | vnd in stichen “).

In dem Buch “Ergrundung Ritterlicher Kunst der Fechterey”, veröffenlicht 1516,  nennt Andre Paurenfeyndt im Fechten mit dem Dussak einen “Büffel-Streich” und einen “Bauern-Streich” in seinen Fechtübungen:

  • “Wan dir ainer begegendt mit ainem ſchwert / oder ſchweinſpieſʒ /… / ſchlecht er prufel ſtraich von dach / trit in triangel vnd verſecʒ den ſtraich kurcʒ / ſo veruelt er ſich mit der pleſʒ / ſo trit du bhendt nach vud ſchlag ee er ſich er / mant”
  • “Wan dir ainer von dach ſchlecht peufel ſtraich / ſo ſtraich von dir daſʒ er dich nit vberlauf slecht’er ſtraich in ſtraich / nim dein meſſer peim ort in dein lincke handt vnd vnterlauf ſein ſtraich ….”
  • “Wan dir ainer paurñ ſtraich ſchenkt”

Der Büffel ist eine Technik, die mit einem Schlag von oben (“dach”) zu beginnen scheint, der vielleicht von einem weiteren Schlag gefolgt wird. Das erinnert uns stark an die erste Nennung der Büffel in dem GMN3227a, die auch den Schlag von von oben nieder beschreibt.

Der Büffel und der Spieß

Die Technik wird mit einem Schwert oder einer Waffe namens ” schweinspiesʒ” ausgeführt, die Paurenfeyndt im entsprechenden Kapitel zu den Stangenwaffen setzt und unten im Holzschnitt von Erhard Schön zu sehen ist, der einen Landsknecht-Feldarzt und seinen Helfer darstellt. Die Waffe findet sich ebenfalls wieder auf der Titelseite der “Zwölf Artikel der aufständischen Bauern”.

So können wir davon ausgehen, dass der Schlag nicht die Hauptidee der Büffel-Technik ist, sondern der Stich danach. Denn ein Schlag mit einem Schweinspieß ist nicht völlig sinnfrei, steht dem eigentlich Zweck der Waffe aber nach.

Dieser Bauern-Streich erinnert uns stark an die Definition des Zornhau durch den Verfasser des Cod. 44.A.8. 44.A.8. Er sagt uns, dass der Zornhau, der mit dem Stoß kombiniert wird, ein einfacher Bauernstreich ist “Merck der zorenhaw pricht mit dem ort alle oberhaw |vnd ist doch anders nicht |wenn ein slächter pauren slagk“.

Gebrochen ist nicht ganz

Leider wird in allen Stücken (nicht nur bei Andre Paurenfeyndt) der Büffel- oder Bauern-Streich gebrochen, bevor er vollendet ausgeführt wird. So wissen wir nicht, wie er weiter fortgeführt werden würde. Aus den Reimen von Liechtenauer können wir annehmen, dass er aus Schlägen und Stichen besteht “puffler slecht oder sticht“ und gegen diese Kombination ein Mittel gebraucht wird.

Im Codex I.6.2º.5 schrieb Hans Medel im Jahr 1539 über Leute, die Buffel sind: “Schilhaw ist nichtz anders dan der wechselhaw nach der Zetl schilhaw genent der ist ain solcher treffentlicher haw der den puffeln oder püben die sich maisterschafft annemen mit gewalt einpricht in hewen vnd in stichen ”. Um zu wissen, was ein “Bube” in der Zeit von Hans Medel war, können wir uns die Holzschnitte von Erhard Schön ansehen, die Landsknecht mit ihren Helfern zeigen. Der “Bube” ist der junge Mann, der in verschiedenen Funktionen in der Armee dient. So können wir annehmen, dass die Büffel auch als Soldaten in der Armee gesehen wurden, die einen bäuerlichen Hintergrund hatten. Dass Bauern ihre Armut nach der Erntezeit mit Soldatentum aufbesserten ist häufig überliefert. Hans Medel macht sich hier über die Amateure lustig, die glauben Soldaten spielen zu können und den Doppelsold der Meister des Langen Schwertes verlangen. Dies führt uns zurück zur ersten Nennung im GMN3227a, die ebenfalls Bauern und Büffel in Verbindung gebracht hat. Es macht den Eindruck, dass “Büffel” ein Schimpfwort für die Spieß tragende Bauern war.

Zusammenfassung

Wir können nicht sicher sagen, was die Büffel im Verständnis der Kampfbücher waren. Es scheint verschiedene Definitionen zu geben, die alle in der Vorstellung zusammenhängen, dass einige Menschen auf eine bestimmte Weise gekämpft haben, die vom Schielhau gebrochen werden könnten.

Die Art des Fechtens, die von diesen Leuten benutzt wurde, hieß Büffel-Streich. Die Technik beginnt mit einem Schlag von oben. Es ist anzunehmen, dass die Technik den Menschen beigebracht wurde, mit verschiedenen Waffen angewendet zu werden. Die Technik ist daher einfach aber effektiv. Sie beinhaltet keine aufwendige Arbeit in der Klingenbindung, sie wird mechanisch ohne zu zögern ausgeführt. Die Technik beinhaltet eine gewisse Bewegung vorwärts.

Wir erinnern uns an dieser Stelle an den Drill der Spieße: 1. Heben des Spießes, 2. Hieb in Stichposition, 3. Stich im Tritt und wieder von vorn. Während die erste Reihen den Spieß wieder anhebt, senkt die zweite Reihen den Spieß für den Stich. Somit sieht der Gegner immer einer Reihe von stechenden Spießen entgegen kommen. Obwohl die eigentliche Technik stupide und immer wieder gleich ist, stellt sie gegen eine Reiterei der Ritter eine schreckliche Technik dar. Wird sie in mehreren auf einander folgenden Reihen durchgeführt, mit unterschiedlichen Spießlängen, ist sie für Reiterei eine Todesfalle. Durchaus also verständlich, dass sie besondere Erwähnung in den Fechtbüchern findet. Doch da sie so allgemein bekannt ist, benötigt sie keine weitere Erklärung.

Spekulationen

Die beste Vermutung wäre, dass die Büffel Bauern mit einer gewissen Ausbildung im Kampf sind. Sie beanspruchten einige Meisterschaft, aber ihr Wissen beschränkte sich auf wenige Übungen, Drills und ihrer natürlichen Stärke. Die Technik(en) lassen sich schnell vermitteln und sind so effektiv, dass man damit sogar Ritter bekämpfen konnte (wie es in den Hussitenkriegen gezeigt wurde).

Es wäre weit hergeholt, wenn wir die Büffel als eine Gesellschaft kämpfender Bauern (entsprechend der Marxbrüder mit dem Löwen) mit ihrem Tier als ihrem Symbol sehen würden. Doch wenn wir diese wilde Hypothese noch weiter ausdehnen würden, könnten wir die Lukaxbrüder mit dem geflügelten Ochsen aus dieser Idee hervortreten sehen. Wir wissen nichts über diese Fechtgilde, noch nicht einmal, ob sie eine Gilde waren.

Quellen
  • Adelung = Johann Christoph Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der oberdeutschen. Zweyte, vermehrte und verbesserte Ausgabe. Leipzig 1793-1801. Leipzig 1793-1801.
  • DWB = Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. 16 Bde. in 32 Teilbänden. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854-1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. Quellenverzeichnis Leipzig 1971.
  • Lexer= Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. 3 Bde. Leipzig 1872-1878.
  • Schweizerisches Idiotikon – Band IV

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