Was ist Historische Fechtkunst?

Historische Fechtkunst ist Kampfkunst erlernt aus historischen Quellen, die als Originale aus dem Mittelalter und der Renaissance vorliegen. Diese zu verstehen und in lebendige Kampfkunst umzusetzen ist ein laufender Prozess von Forschung und Interpretation auf wissenschaftlicher Basis.

Im Späten Mittelalter entstand die Idee, praktisches Wissen zu verschriftlichen. Davorige Schriftwerke setzten sich vor allen mit dem theologischen und philosophischen Wissen auseinander. Das praktische Wissen wurde von Person zu Person weitergeben, allenfalls entstanden Zettel und Notizen zu komplexeren Sachverhalten. Diese wurden in Merkversen gefasst. So konnte man sich diese merken und wiedergeben. Die ersten Bücher zu der praktischen Kunst entstanden aus Sammlungen dieser Zettel und waren entlang dieser strukturiert. Die Merkverse wurden entsprechend der Scholastischen Zitierweise ausgelegt und interpretiert. Diese Auslegung – Glossen genannt – wurden zusammen mit den Merkversen in Bücher und Bildern gefasst.

Fechtbücher

Es entstanden Bücher zur Fechtkunst. Die Bücher enthielten die Merkverse, Glossen in Form von nachzustellenden Stücken und Interpretationen der Stücke in Bildern. Diese Bücher wandelten sich in der späten Renaissance in Anleitungen zur Fechtkunst, da der Buchdruck nun auch diejenigen erreichten, die keinen direkten Zugang zu einem Fechtmeister hatten. Heute liegen uns Bücher verschiedenster Art aus den Jahrhunderten vor, die wir alle erneut auslegen und interpretieren können.

Aus diesen Quellen wird heute wieder praktische Kunst gemacht. Historische Fechtkunst ist somit die praktische Rekonstruktion von Kampfkünsten aus Merkversen, Glossen, Bildern, und direkten Anleitungen.

Forschung

Historische Fechtkunst bereits in der Historie

Eine Kampfkunst aus der Geschichte gespeist wird nicht ohne die Erforschung ihrer Ursprünge gedeihen können. Vielmals versuchen „Historische Fechter“ anhand von „Logik“ ihre Kunst zu gestalten, leider ist der mäßige Erfolg solcher Mühen die Anstrengung nicht wert. Was über Jahrhunderte erprobt und optimiert wurde, lässt sich nicht in der Kürze einer Lebenszeit neu erfinden. Weitaus lohnenswerter ist es, die alte Kunst in ihrer Tiefe zu erforschen. Dies ist ebenfalls mühevoll und bedeutet das Erlernen und Anwenden von wissenschaftlichen Methoden. Alte Handschriften zu finden und zu entziffern, ihre Worte zu entschlüsseln und in den richtigen historischen Kontext zu setzen, geschieht nicht im Vorbeigehen. Es ist fast ebenso anstrengend wie das stetige Üben der Kunst selber, das nicht unterbrochen werden darf.

Das Ergebnis der doppelten Anstrengung in Theorie und Praxis ist eine solide Kampfkunst basierend auf dem Wissen der Alten und der Erprobung in der Moderne. Doch muss sich heute nicht jeder einzelne Fechter dieser Mühen unterziehen. Wenn es auch keine Abkürzung im Erlernen und Üben einer Kampfkunst gibt, so teile ich gerne die Ergebnisse meiner Forschung mit der Gemeinschaft aller Fechter.

Rekonstruktion

Rekonstruktion der Fechtkunst – das Lernen aus Büchern ohne Lehrmeister – ist ein in der Fechtkunst bekannter Prozess. In den Fechtquellen selber finden sich die Darstellung von Fechterpaaren, die anhand eines Buches arbeiten. Die Abwesenheit eines Fechtmeisters kann überwunden werden, wenn eine gute Analyse und Methodik gegeben ist. Diese basiert auf den Kenntnissen, dass übergeordnete Prinzipien jeder real orientierten Kampfkunst zu Grunde liegen. Geht man davon aus, dass die gleichen Prinzipien auch dem Fechter des Mittelalters gelehrt werden mussten, so stellt sich nur noch die Frage der Struktur: „in welchem Stück, wird welches Prinzip gelehrt und wie wird es vermittelt?“ Dies ist oft in der Terminologie deutlich benannt. Schlüsselworte bzw. deren Bedeutung werden heute und damals gleich verwendet. Was nach Abschluss der Analyse der Quellen offen bleibt, ist die genaue Abfolge der Bewegung. Hier ist die Qualität der Beschreibung sehr unterschiedlich. Eine große Erfahrung in Kampfkünsten ist für die Umsetzung in echte Bewegung daher unerlässlich.

Die von mir gelehrten Bewegungen und Übungen sind das Resultat von über 20 Jahren Forschung, nicht allein von mir, sondern einer großen Gemeinde von Wissenschaftlern und Amateurforschern. Ich sehe mich als ein Teil dieser Forschungsgemeinschaft und trage gerne dazu bei. So zum Beispiel zur größten Quellensammlung Wiktenauer und durch einen internationalen Blog.

Geistige und körperliche Fitness

Kaum etwas fordert Geist und Körper so sehr wie die Ausübung einer Kampfkunst mit Blankwaffen. Körperliche Fitness ist keine Vorbedingung, sie stellt sich durch regelmäßiges Üben ein.

Im Historischen Verständnis kann Kampfkunst nicht in großen Gruppen unterrichtet werden. Ein Unterricht, der frontal und nicht individuell erfolgt, kann nur für Massensport taugen. Hier werden große Gruppen herangezogen, um für Wettkämpfe die besten zu ermitteln, welche dann für Wettkämpfe individuell betreut werden. Das gleiche erfolgt für die Umsetzung des Schneeballsystems bei der Gewinnmaximierung in manchen modernen Kampfkunstschulen. Die Massen werden frontal unterrichtet, einzelne Personen werden als Trainer:innen herangezogen, die unter Lizenz neue Schulen eröffnen.

Individualität anstatt Masse

Individueller Unterricht ist das einzige Mittel zur Vermittlung der Kampfkunst. Daher sollten die Gruppen klein gehalten werden. Die Trainer:innen sollten versuchen beständig jeden einzelnen an die Kunst heran zu führen. Dabei sollte das Lern- und Übungsprogramm genau auf die Person, deren Statur und Ziele angepasst werden. Andauernde körperliche Überforderung in den Schmerz hinein, ist schädlich. Dies gilt auch für die Ansprüche an die geistige Aufnahmefähigkeit. Diese ist – vor allen aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen im beruflichen Alltag – auch nicht gleich gegeben. Das bewährte Mittel der Wahl ist Fördern und Fordern, und dies individuell.

Ich schaue also, wo und wie ich die körperliche Fitness verbessern kann. Hier sind vordringlich die Schädigungen durch den Beruf zu beheben. Ein gesunder, starker Rücken ist ein wichtiges Ziel. Denn dieser ist für die Kampfkunst unerlässlich. Ebenso wie eine gute Beweglichkeit, die oft unter verkürzten Sehnen, Bändern und Muskeln leidet. Auch daran wird gearbeitet. Zur Stärkung von Kraft, Stabilität und Beweglichkeit können die Übungsleiter:innen teilweise auf Übungen aus den Fechtbüchern zurückgreifen, denn das grundsätzliche Problem ist nicht neu. Auch wenn es historisch sein soll, so benötigen moderne Menschen Übungen, die dem sportwissenschaftlichen Standard entstammen. Es hilft auch darüber zu informieren, welche Übungen auch zu Hause durchgeführt werden können, damit sich das körperliche Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Fechter verbessert.

Historische Fechtkunst bedeutet die Ertüchtigung jedes Einzelnen, eine Kunst auszuführen.

Sicherheit und Respekt

Beim Umgang mit Waffensimulatoren, also stumpfen Blankwaffen, ist sorgfältiger und sicherer Umgang geboten. Respekt vor den Rechten und der Unversehrtheit anderer Menschen ist unabdingbar. Kampfsport ist niemals ohne Risiko und Verletzungen sind Teil jeden Sportes. Daher gilt es vermeidbare Risiken und Unfälle unbedingt auszuschließen.

Ich achte sehr darauf, ob die Übungswaffen den Sicherheitsaspekten genügen und prüfe auch die Schutzausrüstung regelmäßig. Ohne Unterlass sollten wir am Anfang jedes Unterrichts an die Sorgfaltspflicht dem Übungspartner gegenüber erinnern. Besteht die Gefahr, dass im Spaß oder Rausch der Übung die Sorgfalt außer acht gelassen werden könnte, so gilt es zu mahnen und unterbrechen, damit sich die Ruhe wieder einstellen kann.

Da ich keine Gewinner oder Verlierer, keine Täter oder Opfer in meinen Übungen zulasse, sondern nur Partner, die sich beim Übern unterstützen, spielen Emotionen keine Rolle. Dies ist auch das Ziel des gemeinschaftlichen Übens, denn Emotionen wie Wut, Verzweiflung, Angst und Gier sind oft ein größerer Gegner als der Gegenüber mit der Waffe in der Hand. Denn Emotionen verhindern ein kluges und besonnenes Handeln, sowie die klare Sicht auf die Situation. Dies ist im Kampf ein eventuell Tod bringendes Problem, daher strikt zu vermeiden.

Sicherheit und Respekt sind also nicht Fragen der Versicherung, sondern eine wichtige Voraussetzung Kampfkunst auszuüben.